Sebastian Gerhard am Donnerstag, den
18. September 2008
wir haben unser Bloggingtool irgendwie zerschrotet - jedenfalls lässt sich die coveritlive-seite nicht mehr von hier aufrufen. Wir schabulieren nun gediegen Petersilienschaumsuppe an Creme Fraiche und Kürbiscanneloni an Pinienkernen, bei einer frischen Hopfenkaltschale oder ausgewählten Weinen.
Und zum Nachlesen gibts hier auch nochmal unser ganzes Blogprotokoll: (more…)
Am 18. ist ja die Preisverleihung in München, als CNN-nominierte Nachwuchsjournalisten sehen wir es natürlich als unsere Pflicht, von dem Ereignis live zu bloggen (sofern wir Netz und Notebooks an den Start kriegen), vielleicht reaktivieren wir auch den Twitter-Feed, mal schauen.
G8-Gipfel? Auch schon wieder einen Monat her. Was war da noch? Irgendwas mit George Bush und Klima, oder so. Angie, die große Gewinnerin. Gute Stimmung der Großen im Strandkorb - die Bilder, die die Bundesregierung und das Land Mecklenburg-Vorpommern vorzeigen wollten.
Wir gehörten auch zu den Leuten mit den gelben Bändchen, die das Pressezentrum bevölkerten. Genauer gesagt, sogar zu denen, die es sogar ab und zu verließen. Wir waren uns natürlich schon im Vorfeld bewusst, dass es sich bei dem Gipfel vor allem um ein Medienereignis handelt. Dieses im vollen Ausmaß dann mitzuerleben, ist aber dann doch noch mal was anderes. An die Klassentreffensatmosphäre - wenn tausende Journalisten vor Ort sind, läuft man im Pressezentrum dauernd näher und entfernter bekannten Kollegen über den Weg - in Journalistenhausen hätte ich vorher nicht gedacht.
Dass man im Pressenzentrum angenehme technische und organisatorische Rahmenbedingungen gestellt bekommen würde, dafür aber vom eigentlichen Geschehen weit weg sein würde, war auch schon vorher klar. Trotzdem erstaunlich: Wie wenig Zeit die Tagsordnung der Politiker lässt, wenn man ihre diversen Foto-Termine abzieht. Wie die deutsche Delegation mit Vorliebe zu ausgewählten Edeljournalisten spricht und zu jenen von kleineren Medien, die vorher dem Bundespresseamt lange genug in den Ohren gelegen habe. Wie schwierig es tatsächlich ist, auch von vor Ort einigermaßen einen Überblick über das Geschehen zu behalten - Termine überschneiden sich, Demonstrationen finden an verschiedenen Orten statt, Konfrontationen ereignen sich unerwartet, Sicherheitskontrollen und Straßenblockaden verhindern, dass man als Journalist zwischen den einzelnen Schauplätzen hin- und herrauscht. Zumal, wenn man zwischendurch immer noch sein Medium mit aktuellen Berichten bedienen muss. Da erscheint der Personalaufwand etwa der Fernsehsender schon gerechtfertigt, man kann nachvollziehen, warum sich Kollegen für den Überblick viel auf dpa verlassen - von einigen kritisiert und mit den bekannten Folgen.
Als Gipfelblogger weder mit dem Anspruch der Objektivität noch mit dem der Vollständigkeit angetreten, müssen wir uns da keine Vorwürfe machen. Und auch die angedrohte Superselbstreferentialität haben wir dann doch auf ein einigermaßen gesundes, blogübliches (unvermeidliches) Niveau beschränkt. Aber im Nachhinein sieht man natürlich doch, was wir im Gipfelblog besser hätten machen können, ein paar zusätzliche Ressourcen (wie wir sie ursprünglich eingeplant hätten) vorausgesetzt: Mehr nach draußen, mehr Überblick über die Verlautbarungen der einen wie der anderen Seite, mehr das aggregieren, was andere Medien Sinnvolles bringen, mehr Inhaltliches überhaupt, am Ende nicht noch so viele Geschicht(ch)en auf dem Zettel, Bilder in der Kamera und Eindrücke im Kopf, die dann doch ihren Weg hierhier nicht mehr gefunden haben. Oder die Tornadoflüge, von denen uns Campbewohner erzählten, dann doch hier schon während des Gipfels.
Kann man sich für eine Neuauflage dieser Sache hier ja alles mal merken.
Nachtrag:Gerade noch bei YouTube entdeckt - ein technisches grauenhaftes Video über eine lustige Aktion. Etliche Dutzend Demonstranten machen sich lautstark während einer Live-Sendung von der NDR-Bühne in Kühlungsborn bemerkbar. Mitleid muss man aber mit der armen Moderatorin haben.
Alexander hat sich einmal die Spielregeln für das Heiligendamm-Game angeschaut. Fazit: Sowohl Polizei als auch Demonstranten haben gewonnen - irgendwie…
Journalisten und Sanitäter sitzen im Pressezentrumsstrandkorb, auf der anderen Seite geht die Rebel Clown Army baden - nackt. Die Flachbildschirme kündigen als nächste Bilder die Abreisen ab. Das heißt wohl: Sie haben fertig.
Wir noch nicht ganz, es wird hier noch den einen oder anderen Nachtrag geben. Also noch etwas dranbleiben, bitte. Mindestens bis morgen.
Die liberale russische Zeitung Kommersant schreibt:
«Die deutsche Polizei verhält sich hier erstaunlich friedfertig. Die Beamten sind gutmütig und fröhlich. Sie kümmern sich um die Globalisierungsgegner wie eine Erzieherin im Kindergarten auf die Kleinen Acht gibt.
Die Polizisten machen hinter den Demonstranten sauber und führen sie an der Hand zu weniger gefährlichen Orten. SelbstBlockadeteilnehmer werden äußerst sorgsam über die Straße geleitet,damit niemandem etwas passiert.»
Am Tisch neben mir sitzt ein Japanischer Kollege und prostet mir genüsslich mit einem Glas Kondens!milch zu. Auf dem Monitor sieht man, wie Hubschrauber den Greenpeace-Heissluftballon zur Landung zwingen. George Bush ist erkrankt und kann nicht zur ersten Arbeitssitzung kommen. Haben die gestern noch gefeiert und sich dann gezofft? Maas feilscht grade mit einem Werkstattmeister um die Kosten für seine neue Autobatterie, da die alte uns verlassen hat. Der Werkstattmeister ist übrigens sehr zu frieden und meint, er hätte schon mit meheren Polizisten gesprochen, die gerne wiederkommen würden. Die Sonne scheint. Guten Morgen aus Kühlungsborn.
Während der Autoresizer gerade die Bilderauswahl für die Soundslides-Show runterskaliert, einmal für die Weltöffentlichkeit ein Auszug aus den Erlebnissen der vergangenen - kurzen - Nacht. Arbeit bis kurz nach Null, Anglernazi mit Eisernem Kreuz auf Brücke getroffen, Taxifahrer mit Baseball-Schläger (”Solange ich einen Ball im Handschuhfach habe, gilt das als Sportgerät” (und zeigt uns stolz denselbigen) oder “Der dient nur zur Provokation”), der gestorbenen Autobatterie, die morgen früh ausgetauscht wird und uns ein Einschlafen erst gegen drei Uhr morgens ermöglich hat, Thomas Roth, der uns stalkt (er hätte nur fragen müssen, wir hätten ihn mitbloggen lassen), Mandy, Cindy und Jaqueline im Service, Kevin in der Küche, illustre Runde mit den übrigen Gipfelbloggern, dem Kollegen Svensson und der hochgeschätzten Gastbloggerin Steffi.
Die Kollegin Steffi Dobmeier hat uns aus dem Westflügel des Pressezentrums einen kleinen Gastbeitrag zugesteckt:
Jaja, es geht hier nicht nur um Demonstranten und wie sie Wege blockieren, es geht hier auch um Inhalte. Allen voran um das Klima, das die Europäer eher schützen möchten als Japan und die USA. Im Hotel Kempinski wird darüber diskutiert, hier wird darüber geschrieben.
…. oder zumindest Ausdrucke. Im Viertelstundentakt tingeln Vertreter von Oxfam, Worldvision oder der Stop Aids Campaign durchs Pressezentrum und verteilen Flugblätter für ihre Pressekonferenzen, die auch alle heute stattfinden. Ob sie von dem Gipfel tatsächlich wegweisende Entscheidungen für ihre Anliegen erwarten? Auf jeden Fall nutzen die NGOs die Gelegenheit, um kräftig zu trommeln.
An sich versuche ich, seit zwei Stunden an eine der begehrten Fotopool-Karten zu kommen, aber der NDR zählt bisher für das Bundespresseamt als reine TV-Station, daher nur eine fixe Lese-Empfehlung aus den Referrern: Armin Meier macht das derzeit G8-lastige und gut geschriebene Farliblog.
Am Sonderpresse-Fotopool versuchen die Kollegen vom G8Vlog noch Pässe zu bekommen (Video “Der Präsident landet Teil 1″): “Sicherheitscheck, 3 Minuten Busfahrt, und dann werden sie mit dem HUBSCHRAUBER rübergeflogen.” Wie geil ist das denn? Ich bin noch nie Hubschrauber geflogen - Aufgabe für Sebi und mich morgen früh: Ins Zentrum der Macht geflogen werden. Alternativ-Transport mittels Militär-Speedboot würde ich auch akzeptieren.
… Schlange vor dem Kopierer, zwei Frauen hinter mir. Thema war erst das Mittagsmenu der Politiker, das aus Spargel mit Schnitzel bestand. “Nein, ich hab schon alle angerufen, die es wissen könnten - Schneewittchen und ihre sieben Spargelzwerge wollen uns nicht verraten, was es zum Abendessen gibt.”
Im Pressezentrum tickern unter den aktuellen Bildern die wichtigsten Nachrichten des Tages in Textform. Während laut dpa ein Dutzend vermummter Demonstranten einen vermeintlichen Polizisten in “Autonomen-Kleidung” verprügelten, tickerte bei uns der Hinweis durch, dass es von 18-21:00 ein reichhaltiges warmes Buffet gäbe, dazu eine Wiederholung der Begrüssung des Amerikanischen Präsidenten mit Frau Merkel.
Derweil sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg gegenüber der dpa bezugnehmend auf die Anzahl der eingesetzten 16.000 Polizisten: “Die Polizei ist personell am Ende” Hier müsse das letzte Aufgebot mobilisiert werden. Laut Informationen des Hamburger Abendblatts werden wohl noch eine vierstellige Zahl von Einsatzkräften hinzukommen.
Und wie ich grade merkte: Fiete hatte zeitgleich den selben Gedanken