“Die Journalisten auf den richtigen Weg bringen”
Fiete Stegers am Samstag, den 9. Juni 2007Was machen die Mädels (und Jungs) im weißen Outifit eigentlich hier? Kurz nachgefragt, gute Laune allenthalben und die Molli-Lok rauscht im Hintergrund.
Was machen die Mädels (und Jungs) im weißen Outifit eigentlich hier? Kurz nachgefragt, gute Laune allenthalben und die Molli-Lok rauscht im Hintergrund.
So, Hin- und Rücktransport in die Verbotene Zone mit der Dampfbahn Molli ging recht zügig, auch wenn auf der Fahrt zurück noch ein paar Demonstranten von den Schienen entfernt werden müssen. Irgendwas kann doch an diesem Polizeieinsatz nicht ganz perfekt geplant sein: Kann man bei den tausenden Polizisten, die hier im Einsatz sind, nicht einfach auf den paar Kilometern von Kühlungsborn nach Heiligendamm alle 50 oder 100 Meter einen Posten aufstellen. Oder haben sich die “Störer” unterirdisch ans Gleis herangearbeitet?
Nachtrag: Der grüne Blogger Till Westermayer lobt die erfolgreiche Demo-Taktik nach Castor-Vorbild.
… so das Programm. Warten im Schatten auf Frau Merkel. Vorne am Briefing-Container ist noch mehr los.
Mit der Molli nach Heiligendamm und zurück. Das hat inklusive einer Stunde Langweile, einer Unterhaltung mit einer Hostess und einem kleinen Interview mit einem Fernsehteam von Afro TV nur zwei Stunden gedauert. Fiete ist noch vor Ort, wartet auf die Bundeskanzlerin, die um 15 Uhr ihre Abschluss-Pressekonferenz halten will und schneidet hoffentlich gerade die Videos mit unseren Interviews…
Gestern war die Strecke vom Pressezentrum zum Tagungsort noch regelmäßig blockiert. Mittlerweile haben sich alle Demonstranten verzogen. Zurück nach Rostock. Gerade wird die Abschlusskundgebung der Gegenveranstaltung über die Flachbildschirme ins Pressezentrum übertragen. Ein unglaublich schlechter Sänger steht da auf der Bühne und spielt unglaublich schlecht Gitarre. “Wild World” von Cat Stevens spielt er. Ein Kollege neben mir hält sich die Ohren zu.
Nicht viel los im flughafenählichen “Security-Checkpoint” vor dem Transfer nach Heiligendamm. Aber gibt es eine Runde Eis für die Leute von Zoll und Polizei. “Bald ist Feierabend, 16 Uhr”, meint der stämmige Beamte, der sich ein Selters am kleinen Getränkeschalter holt. Er und seine Kollegen sind seit vier Uhr morgens hier in der Halle: “Normal, zwölf Stunden”, sagt er. Extra freie Tage als Ausgleich gäbe es dafür nicht, sagt er. “Aber hier sind die Leute ja nett, dann ist alles in Ordnung.”
Auf einmal große Hektik hier im Pressezentrum. Kollegen grabschen ihre Sachen, rennen los. Rotoren dröhnen. Über die Bildschirme läuft im Laufbanner: “Zur Zeit kein Transfer nach Heiligendamm möglich?” Was ist los? Sitznachbarn wissen auch nicht mehr. Oder hat nur jemand seinen Bus verpasst?
Ach, so - der Russe kommt. Und der Ami auch. Bush und Putin haben ihr Tete-a-tete beendet und treten gemeinsam vor Fotografen und Kameraleute. Im Pressezentrum recken sich die Mikrofone den Bildschrirmen entgegen. Ob sich das lohnt? “Russia is a great country”, hört man gerade.
“George, come here, they want to take the picture!” - Nach diesen resoluten Worten unserer Bundeskanzlerin setzte sich die Gipfelfamilie zum Gruppenfoto in den Strandkorb. Rest der Geschichte und die noch spannendere Rückfahrt später.
Das Foto zum Zitat:
Hatte auch noch nen Fotopass für das Familienfoto bekommen, Bilder sind im Kasten, aber Molli fährt gerade nicht, entweder weil die Strecke gerade wie gestern gesperrt ist, die Gefahr besteht, gesperrt zu werden oder sonstirgendwas. Jetzt warten wir auf einen Alternativ-Transport mit Booten. Herr Gerhard hat gerade ein Shooting mit George und Angie im Strandkorb, Bilder folgen. Boot ist fast so toll wie Hubschrauber.
Drinnen - wir sind nun das erste mal wirklich durch den Zaun. Marco ist schon unterwegs zum obligatorischen Familienfoto, ich bin noch in der Warteschleife zu meiner Pool-Position. Auf dem Weg dahin: 2 Stunden warten in der Sicherheitskontrolle, wie am Flughafen nur in gründlich.
Zauneinfahrt: und weit und breit nur gelangweilt dreinblickende Beamte. Auf dem ganzen Weg nicht ein Demonstrant zu sehen. Alle schon in Rostock beim Konzert?
Im Pressezentrum tickern unter den aktuellen Bildern die wichtigsten Nachrichten des Tages in Textform. Während laut dpa ein Dutzend vermummter Demonstranten einen vermeintlichen Polizisten in “Autonomen-Kleidung” verprügelten, tickerte bei uns der Hinweis durch, dass es von 18-21:00 ein reichhaltiges warmes Buffet gäbe, dazu eine Wiederholung der Begrüssung des Amerikanischen Präsidenten mit Frau Merkel.
Derweil sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg gegenüber der dpa bezugnehmend auf die Anzahl der eingesetzten 16.000 Polizisten: “Die Polizei ist personell am Ende” Hier müsse das letzte Aufgebot mobilisiert werden. Laut Informationen des Hamburger Abendblatts werden wohl noch eine vierstellige Zahl von Einsatzkräften hinzukommen.
Und wie ich grade merkte: Fiete hatte zeitgleich den selben Gedanken
Der Schreibtisch wird voller und voller - genauso wie der Posteingang. Und Fiete hat sich auch grade wieder zurück ins Basislager zu uns geschlagen.
Und wieder sind es die Clowns, rund 50 bis 70 Demonstranten, die sich mit den Beamten der Bereitschaftshunderschaft Eiche Erwin amüsieren. Sie haben es bis direkt vor den Kontrollpunkt Vorder Bollhagen geschafft. Entspannte Atmosphäre. Bis darauf, dass die einen nicht rein, die anderen (die in Grün) nicht raus dürfen. Nach etwa einer Stunde zieht der Clownszug wieder ab, zurück zur Volksküche, die sich eine Wegkreuzung weiter westlich postiert hat.
Auch wir fahren weiter. Vom großen Demonstrationszug, der sich dem Hautpeingang in die Sperrzone nähert, ist nichts zu sehen. Immer wieder sieht man allerdings kleine Gruppen von Demonstranten oder Presseleuten über die Felder ziehen. Oben ziehen Hubschrauber ihre Kreise. Die Helikopter kommen immer näher, Polizisten sind jetzt auch auf dem Waldweg unterwegs zur Sperre vor uns. Ich sehe mir das mal an.
An jedem Arbeitsplatz: Dreifach-Steckdosenleiste, Modem analog, ISDN-Anschluss, einmal frei, einmal mit Telefon (T-Com Concept P212). Landose, Lampe. Schreibblock, Kugelschreiber, Bleistift, Radierer. Um die Ecke: kostenlose Kopierer, Faxe, Drucker, Fotodrucker. Belegte Brötchen, Süsskram, Eis, Kaffee- und Teestation, Schliessfächer. So lässt sichs arbeiten. Wir haben uns grade für die ersten Fotopools angemeldet, mal sehen was kommt.
Wobei ich den Möwengejaule-Klingelton vom Kollegen beim Japanischen Fernsehen gerne abstellen würde…
“Aufgrund angekündigter Demonstrationen im Umkreis des Tagungsortes ist eine Anreise mit der Bahn bis Bad Doberan zu empfehlen”, erzählen Bundespresseamtpressemittelungsmacher auf www.g-8.de. Um 18.20 Uhr bin ich heute in Hamburg losgefahren. 6 Stunden, drei Regionalexpresse, ein Buch, eine Tüte schlechter Chips, eine Apfelschorle, eine Taxifahrt und drei Polizeikontrollen später war ich auch schon in Kühlungsborn. Hamburg - Kühlungsborn. Das sind übrigens 180 Kilometer.
Genügend Kilometer um reichlich Abenteuer zu erleben.
- Zwei etwa 18-jährige Schwarzgewandete in Kampfmontur, die sich extra laut unterhalten, damit der ganze Zug mitbekommt, dass sie sich besonders gut auf kommende Demos vorbereitet haben. Sie reden viel von ihrem derben Kumpel Sven-Erik und wie sie ihre Steine selber mitgenommen haben und von dem ganzen vielen Bier in ihren Rucksäcken. Und am Ende kramen sie aus den Rucksäcken Knoppers und Fritz-Kola. Derbe!
- In Wismar fallen zwei Züge nacheinander aus - polizeiliche Maßnahmen, heißt es. Viele, viele junge kritische Menschen mit bunten Haaren warten auf den nächsten Zug ins Camp. Am Bahnhof hängt ein Typ mit kurzen Haaren und Londadale-Jacke rum. Offenbar ein Einheimischer. Einige junge kritische Menschen mit bunten Haaren, die gerade eine Pizza essen sagen: “Hmm, lecker Italienisch. Du weißt ja gar nicht was Dir entgeht, Du Nazi.” Der junge Mann mit kurzen Haaren sagt: “Heil Hitler.” Auf dem Wismarer Bahnhof hängen auch ein paar Bundespolizisten ab. Die finden das gar nicht witzig, was der junge Mann da gerade gesagt hat. Ausweiskontrolle, Platzverweis.
- Bahnhof Bad Kleinen: Hinter mir sagt einer: “Wow. Bad Kleinen. Hier war doch das, was wir neulich im Geschichtsuntericht gelernt haben. GSG 9 und RAF und so.” - “Genau, erst mal ‘Kopfschuss’ von Wizo auf die Ohren legen”, sagt der andere.
Und dann endlich in Kühlungsborn: Das Pressezentrum zum G8-Gipfel, unsere Ferienwohnung und ein Haufen Journalisten. Kühlungsborn ist Journalistenhausen. Etwa 3.500 Kollegen sollen hier sein. Ob die auch alle mit der Bahn gekommen sind?
Fotos kann man hier schauen:
Auf dem Weg zum Pressezentrum, laut Navi Ankunft in 3 Minuten, wurden wir von einer kleinen Demonstration mit ca. 300 Personen aufgehalten. Die Clown-Army-Fraktion war unübersehbar, wobei sich alle recht ruhig verhielten, und nur kleine Gruppen die typischen Parolen skandierten. Die Polizei setze trotzdem bis zur Klärung des wohl kurzfristig vom Legal Team eingereichten Antrags auf Demonstrationserlaubnis (oder wie das auch immer juristisch korrekt heisst) auf (de?)eskalierende Abschreckung durch massive Präsenz mit den Worten: “Wir ersetzen die bisherigen Beamten jetzt durch dicker angezogene”. Nach ca. einer dreiviertelstunde wurde die Demonstration dann doch noch zugelassen und durfte ihren Weg fortsetzen. Wir schafften es, uns mit noch einigen weiteren Wagen kurz vor der Gruppe Richtung Pressezentrum durchzuschlagen. Hier ein paar Fotografische Impressionen von Marco und Sebastian. Fiete hielt wacker die Kamera, sein Bericht folgt noch. Philipp hats leider verpasst, ihn hat die Deutsche Bahn festgehalten.
Hier gibts die Fotos: (more…)
Gut, o.k. Ich mach auch Fotos. Für mich. Zu hause habe ich eine feine Canon Eos 300 V. Da schmeiß ich ab und an einen Kleinbildfilm rein, lass den entwickeln und freue mich an den Abzügen. Für den Dienstgebrauch reichlich untauglich.
Ich bin Printjournalist. Für meinen Job brauche ich ein Hirn, einen Kugelschreiber, einen Block und am Ende einen Rechner. Und deshalb frage ich mich, was ich in Heiligendamm eigentlich soll. Ein Blick auf das offizielle Presseprogramm des Bundespresseamtes sagt mir, dass Kugelschreiber- und Blockträger gar nicht erwünscht sind. Was zählt ist das Bild. Von Mittwoch 11 Uhr bis Freitag 13 Uhr reiht sich da ein Bildtermin mit bergrenzter Zulassung an den nächsten. Ich darf dann wohl zur Abschlusspressekonferenz am Freitag um 15 Uhr. Das ist nämlich der einzige Pressetermin - mit unbergenzter Zulassung.
In der Zwischenzeit geh ich entweder am Strand spazieren und mach mit meiner Canon ein paar schöne Urlaubsfotos. Oder ich fahr ins nächstgelegene Protestcamp. Vielleicht haben die Globalisierungskritiker ja etwas zu sagen, was ich aufschreiben könnte…
Wer wie ich in Münster studiert hat, weiß, dass es dort nicht nur immens viele Fahrradfahrer gibt, sondern diese auch immer wieder gerne von der Polizei kontrolliert werden. Hängt mit der Polizeiakademie vor Ort zusammen, vermutet man.
Richtig putzig wird es aber, wenn (anderswo) eine halbe Hundertschaft in Riot Gear nach Rahmennummern sucht und sie fein säuberlich ins Notizbuch schreibt. Gibt’s nicht? Unter G8-TV.org ist ein Video zu sehen, bei dem mehrere Fahrzeuge von Organisatoren eines G8-Kritiker-Camps während der Anreise von der Polizei durchsucht werden - mit ihrer Begründung, sie suchten nach gestohlenen Fahrrändern, ernten die Polizisten einen grandiosen Lacherfolg.
Bützow hat 8500 Einwohner, ist aber im einwohnerschwachen Mecklenburg-Vorpommern gleich IC-Haltepunkt. Bis zur Autobahn sind es nur ein paar Kilometer, bis Heiligendamm rund eine halbe Stunde über Land. Das hat Folgen: Bis zu 15.000 Gipfelgegner könnten während des Gipfels in Bützow das G8-Gute-Nacht-Camp bevölkern.
Hoffnungen und Befürchtungen aus einem Örtchen, das sich unversehens im Zentrum der Weltpolitik wiederfand.