“Bäume und Leute, die im Garten arbeiten”
Außer Polizisten, Geheimdienstmitarbeitern und Leibwächtern darf in Heiligendamm noch jemand eine Waffe tragen: Kurt Schwarz, 78. Der Jäger und ehemalige Trainer der DDR-Sportschützen lebt in Heiligendamm und soll bei Wildunfällen während des Gipfels eingreifen. Im Interview beschreibt er die Situation für die Einwohner der „grünen Zone.“
Herr Schwarz, Sie sind da, wo momentan kaum jemand hin darf. Was passiert bei Ihnen vor der Haustür?
Kurt Schwarz: Da kann ich ihnen nicht Spektakuläres erzählen. Es ist ganz ruhig. Ich sehe nur unsere Kleingartenkolonie: Bäume und Leute, die im Garten arbeiten. Auf der Straße kommen Polizeifahrzeuge und die Leute der Reiterstaffel vorbei, aber das ist eigentlich kaum zu merken.
Dürfen Sie als Anwohner denn überhaupt auf die Straße?
Natürlich. Wenn es keine Blockaden gibt, kann ich sogar jederzeit das Sperrgelände verlassen. Ich gehe jeden Tag herunter zur See zum Spazieren. Innerhalb der so genannten grünen Zone kann ich hingehen, wohin ich möchte. Ab und zu guckt mal ein Polizist, ob ich meine Kennkarte als Anwohner umgehängt habe. Nur in die blaue Zone , 200-300 Meter um das Kempinski-Hotel, darf ich nicht. Diese Zone gab es letztes Jahr beim Bush-Besuch noch nicht. Damals durften wir nur das Hotelgelände nicht betreten.
Haben Sie denn die Staats- und Regierungschefs, die jetzt bei ihnen vor der Haustür übernachten, schon zu Gesicht bekommen?
Nein, die eigentlichen Gipfelteilnehmer haben wir noch nie gesehen. Wir sehen nur ihre Hubschrauber, aber die landen in einem Gebiet, wo wir nicht hinkommen. Gestern konnten wir aber die Mitglieder der Delegationen beobachten. Die wurden auch mit Hubschraubern gebracht, weil sie mit dem Auto nicht durchkamen, und dann mit Limousinen durch den Ort transportiert.
Ein ganz normaler Anwohner sind Sie ja doch nicht: Die Behörden haben noch eine Sonderaufgabe für sie, weil Sie einen Jagdschein besitzen.
Ja, wenn auf den jetzt ja stark frequentierten Straßen in Heiligendamm ein Wildunfall passiert, muss ich das Wild entsorgen oder erlegen, wenn es noch lebt. Ich hoffe aber, dass nicht passiert. Die Tiere fühlen natürlich gestört durch die Polizeipräsenz in dem Waldgebiet, wo sie sich normalerweise ihre Nahrung suchen. Sie versuchen, für sich ein ruhiges Fleckchen zu finden, wo sie keine Polizisten wittern. Eines ist ein kleines Schilfgebiet, wo ich versuche, sie durch Maisfütterung zu halten. Ich habe dort für das Schwarzwild Mais eingebuddelt. Die Tiere haben dann damit zu tun, die Körner einzeln auszugraben und nicht mehr so viel Zeit, auf den Straßen spazieren zu gehen oder mit Fahrzeugen in Kollision zu geraten.
Was wird der Gipfel für Folgen für Heiligendamm haben, wenn er vorbei ist?
Es ist vor Jahren bestimmt, worden, dass der Gipfel hier veranstaltet wird. Dann soll er auch durchgeführt werden, ordentlich, wie es sich gehört. Das muss man akzeptieren. Ob dabei dann etwas herauskommt, kann ich nicht beurteilen. Aber ich hoffe, dass es am Ende nicht ganz umsonst war und man die Globlisierungsfolgen mindern kann, wie es auf der Tagesordnung steht. Wirtschaftlich hoffe ich, dass die Regionen vom Straßenbau und anderen Maßnahmen, die für das Treffen gemacht wurden, nachhaltig profitiert. Vielleicht wird auch die Auslastung des Hotels Kempinski besser, als sie zuletzt war.
Und was halten Sie von den Demonstrationen?
Im Fernsehen habe ich gesehen, dass die Leute zu Tausenden durch Weizen und Gerstenfelder gehen, wenn sie versuchen, an den Zaun heranzukommen . Dabei wird doch ein großer Schaden angerichtet. Ich kann nicht verstehen, dass das genehmigt wird, nur um Demonstrationsrechte zu gewährleisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Sinne des Erfinders ist. Jeder hat Rechte, aber Versammlungsfreiheit und das Recht auf Demonstration können nicht legitimieren, dass Schaden angerichtet wird. Es gibt auch das Recht auf Eigentum. Die Eigentümer der Felder, die ihre Ernten einbringen wollen, haben schlechte Karten. Wer ersetzt denen die Schäden?
Das Interview wurde bereites NDR.de veröffentlicht. Auf Kurt Schwarz sind wir durch einen schönen Artikel in der Frankfurter Allgemein Sonntagszeitung vor einigen Wochen aufmerksam geworden.