Aufregung im kuschligen Pressezentrum. Greenpeace-Schlauchboote dringen in die Sicherheitszone ein und werden von Marine und Wasserschutzpolizei verfolgt. Das passiert zwar direkt vor der Haustür, wird aber dankenswerter Weise auch live auf die Großbildschirme übertragen.
Und ehrlich: das war die spektakulärste Verfolgungsjagd, die ich je gesehen habe. Was daran liegt, dass das die einzige Verfolgungsjagd war, die ich je gesehen habe…
Drinnen - wir sind nun das erste mal wirklich durch den Zaun. Marco ist schon unterwegs zum obligatorischen Familienfoto, ich bin noch in der Warteschleife zu meiner Pool-Position. Auf dem Weg dahin: 2 Stunden warten in der Sicherheitskontrolle, wie am Flughafen nur in gründlich.
Zauneinfahrt: und weit und breit nur gelangweilt dreinblickende Beamte. Auf dem ganzen Weg nicht ein Demonstrant zu sehen. Alle schon in Rostock beim Konzert?
An sich versuche ich, seit zwei Stunden an eine der begehrten Fotopool-Karten zu kommen, aber der NDR zählt bisher für das Bundespresseamt als reine TV-Station, daher nur eine fixe Lese-Empfehlung aus den Referrern: Armin Meier macht das derzeit G8-lastige und gut geschriebene Farliblog.
… Schlange vor dem Kopierer, zwei Frauen hinter mir. Thema war erst das Mittagsmenu der Politiker, das aus Spargel mit Schnitzel bestand. “Nein, ich hab schon alle angerufen, die es wissen könnten - Schneewittchen und ihre sieben Spargelzwerge wollen uns nicht verraten, was es zum Abendessen gibt.”
Heute hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot für den morgen geplanten Sternmarsch auf Heiligendamm bestätigt. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Schwerin das Demoverbot teilweise außer Vollzug gesetzt und den Teilnehmern des Sternmarsches erlaubt, sich bis auf 200 Meter dem Sicherheitszaun zu nähern.
Polizisten und Demonstranten war das am frühen Nachmittag noch ziemlich egal. Ungefähr zwei Meter vor dem Zaun trafen etwa 50 Demonstranten auf geschätzte 200 Polizisten und eine Handvoll Journalisten.
Im Pressezentrum tickern unter den aktuellen Bildern die wichtigsten Nachrichten des Tages in Textform. Während laut dpa ein Dutzend vermummter Demonstranten einen vermeintlichen Polizisten in “Autonomen-Kleidung” verprügelten, tickerte bei uns der Hinweis durch, dass es von 18-21:00 ein reichhaltiges warmes Buffet gäbe, dazu eine Wiederholung der Begrüssung des Amerikanischen Präsidenten mit Frau Merkel.
Derweil sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg gegenüber der dpa bezugnehmend auf die Anzahl der eingesetzten 16.000 Polizisten: “Die Polizei ist personell am Ende” Hier müsse das letzte Aufgebot mobilisiert werden. Laut Informationen des Hamburger Abendblatts werden wohl noch eine vierstellige Zahl von Einsatzkräften hinzukommen.
Und wie ich grade merkte: Fiete hatte zeitgleich den selben Gedanken
Die Demonstranten haben sie nicht aufhalten können: Während die Staatschef zum Aperitif schreiten, wird draußen - offenbar bei Vorder Bollhagen eine Sitzblockade mit Wasserwerfern geräumt. Bis 19 Uhr meldet die Polizeizentrala Kavala heute 138 Festnahmen. Laut Attac gibt es derzeit noch zwei weitere Blockaden: 5000 Personen bei Börgerende-Rethwich, 9000 bis 1000 Leute bei Kontrollpunkt am Zaun nahe Bad Doberan.
Im Pressezentrum preist man über den Hauskanal zeitgleich das Büffet (warm) an. Diesmal keine dort Schlangen.
“Jetzt sind nur noch kleine Gruppen, anders als vor drei, vier Stunden. Da waren es teilweise hunderte von Leuten”, sagt der Polizeibeamte, der durch einen Feldstecher das Gelände beoachtet. Die Polizei hält sich aber hier eher zurück und wartet, bis die Demonstranten zu ihnen kommen: “Wir haben natürlich überall im Gelände Kräfte”, sagt der Mann.
Mache Demonstranten bleiben weiterhin auf den Wegen. Eine kleine Gruppe von vielleicht zehn Leuten kommt uns auf dem Weg nach Steffenshagen entgegen, gefolgt von einem klassischen Streifenwagen. Das erinnert eher an eine Mini-Demo in einer Kleinstadt. Auch Tramp-Versuche gibt es häufiger. Wir nehmen niemanden mit.
Anderswo werden “Waldläufer” auch von der Polizei in Gewahrsam genommen, schreiben die Kollegen von blog.tagesschau.de.
Und wieder sind es die Clowns, rund 50 bis 70 Demonstranten, die sich mit den Beamten der Bereitschaftshunderschaft Eiche Erwin amüsieren. Sie haben es bis direkt vor den Kontrollpunkt Vorder Bollhagen geschafft. Entspannte Atmosphäre. Bis darauf, dass die einen nicht rein, die anderen (die in Grün) nicht raus dürfen. Nach etwa einer Stunde zieht der Clownszug wieder ab, zurück zur Volksküche, die sich eine Wegkreuzung weiter westlich postiert hat.
Auch wir fahren weiter. Vom großen Demonstrationszug, der sich dem Hautpeingang in die Sperrzone nähert, ist nichts zu sehen. Immer wieder sieht man allerdings kleine Gruppen von Demonstranten oder Presseleuten über die Felder ziehen. Oben ziehen Hubschrauber ihre Kreise. Die Helikopter kommen immer näher, Polizisten sind jetzt auch auf dem Waldweg unterwegs zur Sperre vor uns. Ich sehe mir das mal an.
Molli lahmgelegt, Journalisten werden über die Ostsee transportiert:
Vor Antritt der nur wenige hundert Meter langen Seereise mussten die
Journalisten wegen der «Gefährlichkeit des Transportmittels» eine
Haftungsausschlusserklärung unterschreiben.
Demonstranten blockieren die Molli-Bahnstrecke, mit der die Journalisten vom Pressezentrum in Kühlungsborn nach Heiligendamm gebracht werden. dpa vermeldet den Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten, nachdem tausende G8-Gegner östlich von Heiligendamm eine Zufahrtsstrasse zu erreichen versuchten. Fiete hat was von 6000 Demonstranten gehört. Autobahn 19 ist blockiert. Wir schicken Fiete ins Krisengebiet. Zeitgleich landet der Japanische Premierminister Shinzo Abe in Rostock-Laage.
12:32 Uhr: Die Grünen erklären den G8-Gipfelbereits vor dem offiziellem Beginn als gescheitert. Romano Prodi ist in der Anflugphase, Fiete im Auto.
Passend dazu heute morgen der Hinweis unseres Herbergsvaters: Das Morada Resort Kühlungsborn, in dem sich das Medienzentrum befindet, ist ein ehemaliges Erholungsheim. Zu DDR-Zeiten genossen hier die Genossen des Ministeriums für Staatsicherheit die Sommerfrische.
Angekommen im Pressezentrum - nach einer ungeplanten Pause mit Clown-Demonstration auf dem Weg hierher. Akkreditierung völlig problemlos - blaue Bändchen arbeiten hier im Service & machen übrigen Gedöns, graue Orga, gelbe sind Presse, grüne Security. Ich hab blau und gelb. Ausweise mit Foto, Hologramm und RFID-Tag.
Auf dem Weg zum Pressezentrum, laut Navi Ankunft in 3 Minuten, wurden wir von einer kleinen Demonstration mit ca. 300 Personen aufgehalten. Die Clown-Army-Fraktion war unübersehbar, wobei sich alle recht ruhig verhielten, und nur kleine Gruppen die typischen Parolen skandierten. Die Polizei setze trotzdem bis zur Klärung des wohl kurzfristig vom Legal Team eingereichten Antrags auf Demonstrationserlaubnis (oder wie das auch immer juristisch korrekt heisst) auf (de?)eskalierende Abschreckung durch massive Präsenz mit den Worten: “Wir ersetzen die bisherigen Beamten jetzt durch dicker angezogene”. Nach ca. einer dreiviertelstunde wurde die Demonstration dann doch noch zugelassen und durfte ihren Weg fortsetzen. Wir schafften es, uns mit noch einigen weiteren Wagen kurz vor der Gruppe Richtung Pressezentrum durchzuschlagen. Hier ein paar Fotografische Impressionen von Marco und Sebastian. Fiete hielt wacker die Kamera, sein Bericht folgt noch. Philipp hats leider verpasst, ihn hat die Deutsche Bahn festgehalten.