Gewinner und Verlierer
Juni 23rd, 2007 by Marco MaasAlexander hat sich einmal die Spielregeln für das Heiligendamm-Game angeschaut. Fazit: Sowohl Polizei als auch Demonstranten haben gewonnen - irgendwie…
Alexander hat sich einmal die Spielregeln für das Heiligendamm-Game angeschaut. Fazit: Sowohl Polizei als auch Demonstranten haben gewonnen - irgendwie…
Außer Polizisten, Geheimdienstmitarbeitern und Leibwächtern darf in Heiligendamm noch jemand eine Waffe tragen: Kurt Schwarz, 78. Der Jäger und ehemalige Trainer der DDR-Sportschützen lebt in Heiligendamm und soll bei Wildunfällen während des Gipfels eingreifen. Im Interview beschreibt er die Situation für die Einwohner der „grünen Zone.“
Die Demonstranten haben sie nicht aufhalten können: Während die Staatschef zum Aperitif schreiten, wird draußen - offenbar bei Vorder Bollhagen eine Sitzblockade mit Wasserwerfern geräumt. Bis 19 Uhr meldet die Polizeizentrala Kavala heute 138 Festnahmen. Laut Attac gibt es derzeit noch zwei weitere Blockaden: 5000 Personen bei Börgerende-Rethwich, 9000 bis 1000 Leute bei Kontrollpunkt am Zaun nahe Bad Doberan.
Im Pressezentrum preist man über den Hauskanal zeitgleich das Büffet (warm) an. Diesmal keine dort Schlangen.
Britta von den Tagesschau.de-Bloggern ist bei den Demonstranten dabei. Btw.: Glückwunsch zum 500sten-Beitrag.
Auf dem Weg zum Pressezentrum, laut Navi Ankunft in 3 Minuten, wurden wir von einer kleinen Demonstration mit ca. 300 Personen aufgehalten. Die Clown-Army-Fraktion war unübersehbar, wobei sich alle recht ruhig verhielten, und nur kleine Gruppen die typischen Parolen skandierten. Die Polizei setze trotzdem bis zur Klärung des wohl kurzfristig vom Legal Team eingereichten Antrags auf Demonstrationserlaubnis (oder wie das auch immer juristisch korrekt heisst) auf (de?)eskalierende Abschreckung durch massive Präsenz mit den Worten: “Wir ersetzen die bisherigen Beamten jetzt durch dicker angezogene”. Nach ca. einer dreiviertelstunde wurde die Demonstration dann doch noch zugelassen und durfte ihren Weg fortsetzen. Wir schafften es, uns mit noch einigen weiteren Wagen kurz vor der Gruppe Richtung Pressezentrum durchzuschlagen. Hier ein paar Fotografische Impressionen von Marco und Sebastian. Fiete hielt wacker die Kamera, sein Bericht folgt noch. Philipp hats leider verpasst, ihn hat die Deutsche Bahn festgehalten.
Hier gibts die Fotos: Read the rest of this entry �
Angekommen, akkreditiert, die erste Demo mit den Protestclowns und der Polizei erlebt.
Der Ort: größtenteils ruhig, nur um das große G8-Pressezentrum ist etwas mehr los. Aber auch keine Journalistenhorden, die die Restaurants bevölkern. Dafür immer wieder parkende Polizisten, wartende Polizisten, Polizisten-Postenreihen.
“Ist ja gar nichts los hier, ihr hättet mal letzte Woche da sein soll”, meint eine Frau, die ihren Hund ausführt: “So’n Aufriss wegen den paar Leuten.” “Wir haaaa-beeen Lan-ge-wei-le” tönen passend vier entgegenkommende, radelnde Bierfreunde und Bierfreundinnen.
Auf dem Fußweg durch den Stadtwald zwischen Kühlungsborn-Ost und Kühlungsborn-Ost eine skurrile Situation. Kollege Dudek ruft an: Den haben wir mit der Bahn fahren lassen, ein Zug ist schon ausgefallen, jetzt sitzt muss er noch mal in Wismar umsteigen. Dort treiben sich ebenfalls g8-kritische Clowns herum, jonglieren an den Gleisen. Die Polizei naht, um sie zu verscheuchen. Während er mir das erzählt, knattert über mir der einer der Hubschrauber, die hier allenthalben kreisen. Und dreißig Meter vor mir huscht im selben Moment ein Reh auf den Pfad, bleibt kurz stehen und verschwindet auf der anderen Seiten im Gebüsch. Dreißig Sekunden später die selbe Szene mit einem zweiten Reh.
Okay - das war im Stadtwald. Richtig verblüfft bin ich aber am Abend etwas später: Während auf der Ostseepromenade Journalisten vorbei an alle 100 Meter qeparkten Polizeiautos Richtung Pressezentrum wandern, flitzt in der hereinbrechenden Dunkelheit ein leibhaftiges Wildschwein durch den schmalen Grünstreifen, der die Promenade vom Strand trennt.
Der CDU-Politiker, der in “Bild” den Einsatz der GSG9 (Wikipedia) gegen gewalttätige Demonstranten fordern darf, ist laut der Zeitung ein ausgewiesener Fachmann: für Haushaltspolitik. Kein Wunder, dass er den Einsatz einer Truppe empfiehlt, die bekanntermaßen für Geiselbefreiungen und ähnliches zuständig ist - und eben auch nicht aus Fachleuten für Polizeitaktik auf Demonstrationen besteht.
Der Einsatz des Spezialverbandes verfolgt primär das Ziel, gefährdetes Menschenleben zu retten. Die GSG 9 wird sowohl offen als auch verdeckt zur Bewältigung komplexer und/oder besonders gefährlicher Lagen eingesetzt, wenn Widerstand unter Anwendung von Waffen, Explosivstoffen, Sprengvorrichtungen, Gefahrstoffen, Organismen oder anderer gefährlicher Materialien nicht auszuschließen ist.
(Außerdem dürften sie sich vor so großen Menschenmasssen gar nicht zeigen - noch mal die Eigenbeschreibung: “Die Einsätze der GSG 9 finden grundsätzlich unbemerkt von der Öffentlichkeit statt.”)
Ärgerlich - eher amüsant dagegen, was “Bild” seinen Lesern über den “Schwarzen Block” verrät: “häufig kennen sie sich von der Uni”.
Meike war bei der Demo in Rostock dabei und beschreibt ihre Sicht der Dinge.
Hallo zusammen,
auch ich war gestern auf der Rostocker Großdemonstration, heute habe ich mich sehr über die Presseberichterstattung aufgeregt. Und unter dem Titel “Eine uninspirierte Latschdemo” eine “Gegendarstellung” geschrieben.Auszug:
“Liebe Pressekollegen, ich weiß, dass Ausschreitungen und kreativer Protest attraktive Schlagzeilen und Bilder machen. Kein User, Radiohörer und Zeitungsleser will unspannende Demoberichte konsumieren. Doch genau das war die Veranstaltung - in meiner Wahrnehmung.”
Der frisch gespreeblickte Alexander g-talkte mir gerade, dass das ganze linke Gesocks mal schön draußen bleiben kann. Richtig so, ihr Chaoten - wir wollen euch nicht. Wir acht Politiker und ein paar Journalisten wollen nämlich unter uns bleiben. Nix mit Streichelzoo, wie die elektronische Postille einer der Treffpunkte der militanten linken Szene gerade schrieb:
Die vierte gute Idee sehen wir derzeit an der Ostsee. Politiker
eingezäunt. Wenn jetzt das Volk noch nach Serengeti Park Manier mit
Offroadern durch das Gelände gefahren werden würde… toll.Ihr dürft die Politiker füttern, wir würden gerne wissen, was ihr auf
die Speisekarte schreiben würdet. Interaktion belohnen wir mit
Gästelistenplätzen in unserem schönen Etablissement.
Dann lieber zeitgemäß mit 5 bis 10 Leuten den Gipfel im Second Life stürmen, bis die Server glühen, und sicherheitshalber diese Nummer speichern. So, musste sein, Tag war lang…
Bützow hat 8500 Einwohner, ist aber im einwohnerschwachen Mecklenburg-Vorpommern gleich IC-Haltepunkt. Bis zur Autobahn sind es nur ein paar Kilometer, bis Heiligendamm rund eine halbe Stunde über Land. Das hat Folgen: Bis zu 15.000 Gipfelgegner könnten während des Gipfels in Bützow das G8-Gute-Nacht-Camp bevölkern.
Hoffnungen und Befürchtungen aus einem Örtchen, das sich unversehens im Zentrum der Weltpolitik wiederfand.